Publikationen:Kriegskind (in: Lexikon der sperrigen Wörter)

aus LuftschiffWiki - http://www.luftschiff.org/
Version vom 9. Oktober 2018, 17:34 Uhr von WikiSysop (Diskussion | Beiträge) (WikiSysop verschob die Seite Kriegskind nach Publikationen:Kriegskind (in: Lexikon der sperrigen Wörter))
(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Aus: Lexikon der sperrigen Wörter, Merz&Solitude 2010, ISBN 978-3937158549, 24,- €

Im Jahr 1948 nahm der Rundfunkreporter Hasso Wolf in Köln die Stimme eines kleinen Mädchens auf. Sie hieß Erika, war kaum 13 und verkaufte Nähgarn auf dem Schwarzmarkt. Ob ihre Mutter davon wüsste, was das Mädchen tat, fragte der Reporter. Ja, antwortete das Mädchen und zeigte dem Mann vom Radio, wo die Mutter zu finden sei. Auch die Mutter gab bereitwillig Auskunft. Ja, sie wusste über die verbotene Tätigkeit ihrer Tochter Bescheid und nein, sie machte sich keine Sorgen, denn, so sprach sie in das Mikrofon des Reporters:

„Das Kind geht ja eh kaputt. Dann kann sie auch Geld verdienen.“

Sechs Jahre zuvor, am 31. Mai 1942, waren um kurz vor ein Uhr mehr als tausend Flugzeuge am Nachthimmel erschienen um innerhalb von 90 Minuten fast 1.500 Tonnen Bomben über Erikas Stadt abzuwerfen.

Am 11. September 2001 dürfte das Mädchen Erika vielleicht 66 gewesen sein. Vielleicht rief sie nach den Fernsehnachrichten an diesem Tag ihre Tochter an. Vielleicht hat diese Tochter ebenfalls ein Kind.

Zwei Drittel der Fracht der tausend Bomber aus dem Jahr 1942 waren Brandbomben. Diese Phosphorbomben sind auch heute noch eine Gefahr – und das nicht nur weil der Phosphor aus den Blindgängern sich beim Freilegen von selbst entzündet.

Klaus Fehling