Presse:2009 04 17 Funkkorrespondenz 16.2009 über Ingame

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Idee mit Halleffekten, verpufft

Klaus Fehling: Ingame – Biografie als Spiel (WDR 3)

WDR 3 Sa 28.3. 15.05 bis 15.37 Uhr

Es kann nichts abgebrochen werden, Aussteigen ist in diesem Rollenspiel nicht möglich. Ein wichtiger Unterschied zu herkömmlichen Live-Action-Rollenspielen: Das Spiel ist nicht einfach nur realitätsnah, sondern es wird für die Beteiligten die Realität sein. Wenn sich jemand zum Aufgeben entscheidet, bleibt er für die Mitspieler weiterhin „ingame“ und damit Teil des Spiels. Nur diejenigen, die nach vier Wochen nachweisen können, dass sie alle Aufgaben erfüllt haben, erhalten den Spieleinsatz zurück. Die ausgeschriebene Gewinnsumme wird um die Einsätze derer erhöht, die aufgegeben haben oder aus anderen Gründen nicht zum Ziel kommen.

Ob solcher Statuten wird der Hörer von bösen Vorahnungen gepackt: Hier könnte alles auf dem Spiel stehen, Gesundheit und Leben inbegriffen. Wir begleiten in diesem Hörstück von Klaus Fehling auszugsweise drei Spielteilnehmer kurz vor und in ihrem Spielalltag: einen hochstapelnden Aufreißer, ein leichtsinniges junges Mädchen und einen Psychopathen mit einem Killerauftrag. Der Hochstapler bringt es mit seinen Lügen zum Sex mit einer Frau, vermutlich in Erfüllung seiner Order. Der Killer lässt sich trotz geladener Waffen in der Tasche von ein paar angetrunkenen Dahergelaufenen verprügeln, weil er seinen Auftrag nicht gefährden will. Im Zug trifft er schließlich auf das Mädchen und erschießt es. In seiner Aktentasche findet man ein Dossier über das Opfer.

Und das war’s auch schon. Das groß angelegte Szenario, mögliche Basis für eine vielteilige Serie oder einen mehrbändigen Roman, endete mit ein paar dünnen Fädchen. Von den 32 Minuten Gesamtdauer dieses Hörspiels wurde mehr als die Hälfte für die Erläuterung der Regeln und eine sporadische Einführung der Akteure verbraucht. Danach blieb nicht mehr ausreichend Zeit, die Konsequenzen des bösen Regelwerks darzustellen. Als die Geschichte kaum in Gang gekommen war, verpuffte sie jäh – und war zu Ende.

Dabei war die Idee durchaus tragfähig, wenn auch für Science-Fiction-Leser nicht ganz neu. Über den Globus verteilt sind mittlerweile Millionen Rollenspieler in virtuellen Welten unterwegs. Da ist nicht viel Fantasie nötig, um einige der Szenarien in die Realität zu verlegen: ungefähr wie bei illegalen Straßenrennen, bei denen nur die Teilnehmer wissen, dass überhaupt ein Rennen läuft. Auch die totalitäre Zuspitzung von Regeln wie im Kinofilm „Die Welle“ ist leicht vorstellbar – als Albtraum, aus dem es vor Ablauf der Spielzeit kein Erwachen gibt. Vielleicht sind schon zahlreiche Rollenspieler unerkannt unter uns? Man fühlt sich an Fantasien im Gefolge der 50er-Jahre-Science-Fiction erinnert, wo Außerirdische heimlich in Menschen schlüpften und deren Rollen übernahmen.

Die Inszenierung als solche konnte gefallen (Realisation: Jörg Schlüter). Die Darsteller agierten professionell und glaubwürdig. Die Vielfalt der Spieler und ihrer Intentionen wurde an einigen Stellen durch mehrspurige Überlagerungen von Stimmen und Sätzen illustriert. Der Gedankensalat wurde in einzelnen Passagen durch sphärische Stimmen und Laute verdeutlicht und mit Halleffekten versehen, wechselnde Ich-Erzähler und innere Gedankenmonologe, meist unterlegt mit Geräuschen und Lauten, machten die unterschiedlichen Protagonisten hörbar.

30.04.09 - Andreas Matzdorf/FK