Presse:2005 07: StadtRevue über Was wird mit Gott...?

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StadtRevue Köln-Magazin Juli 2005 über Was wird mit Gott wenn ich tot bin?:

Göttliche Strahlen

evoe:performing:artists arbeitet den Fall Fall Daniel Paul Schreber durch

Daniel Paul Schrebers Fall ist legendär. Schreber brachte es zu Lebzeiten bis zum preussischen Senatspräsident und landete gleich darauf in der Nervenheilanstalt. Sein behandelnder Arzt, Medizinalrat Weber, trat als Gutachter im Entmündigungsverfahren auf: »Das Wahnsystem des Patienten gipfelt darin, daß er berufen sei, die Welt zu erlösen und der Menschheit die verloren gegangene Seligkeit wiederzubringen.« Das kennen wir doch alle. Zumindest aus der Kindheit.

Gegen seine Entmündigung wehrte sich Schreber mit der Schrift »Denkwürdigkeiten eines Nervenkranken«, einer pseudoreligiösen Faselei über die Geschlechter, über göttliche Strahlen, und zugleich Wortsystem seiner persönlichen Verknotung. 1903 veröffentlicht, brachte sie ihm Recht: Das Oberlandesgerichts Dresden hob die Entmündigung auf - wegen des elaborierten sprachlichen Ausdrucks - und erkannten »hohen Ernst und das Streben nach Wahrheit«. Schrebers Schrift zeichnet für einen neuen Diskurs über Wahrheit und Wahnsinn. Als erster entdeckte sie Sigmund Freud, der 1911 im »Fall Schreber« eine ödipale Bindung an einen übermächtigen Vater entziffert.

Die Kölner Gruppe evoe:performing:artists versucht sich an einer Adaption des Werkes. Ihr Abend erkennt sehr wohl die Gefahr des Schreberschen Denkens – vermag es aber nicht, diese in dräuendes Theater umzusetzen. Statt dessen verlegen sie sich aufs Konstruieren und finden dabei inhaltsfremde szenische Lösungen: Blutige Unterhosen, Rahmenhandlungen, Wortschilder oder Lämpchen-La-Olas.

Ihre Installation »Schrebers Hirn«, ein mehrteiliger Kubus, der unterschiedliche Räume bildet, hat in ihrer ordentlichen, räumlichen Intelligenz wenig mit den Krankheiten aus dem schizophrenen Arsenal zu tun, die Schreber plagten. Angemessener wäre da Friedrich Schröder-Sonnenstern, die Bleistiftorgien der Gugginger, die Figurengruppen von Oswald Tschirtner, besser noch die Wortbilder von August Walla, oder auch die Privatsprache eines Jonathan Meese.

Allzu leicht ist es, einen solchen Abend mit der Irritation des Wahnsinns aufzuladen; allzu schwer danach für die Darsteller, dies auch zu spielen. Hin und wieder gelingt das Bernd Rehse, doch einzig Monika Barths Stimme trägt genügend Landschaft in sich, um die bedrückende Atmosphäre des Wahns in eine Sprache umzusetzen, die es versteht, auch die Pausen zwischen den Worten zu vertonen.

Götz Leineweber