Presse:2003 12: INterkultur über Koreans who went to Germany

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INterkultur Stuttgart 12/2003 über Koreans who went to Germany:

INterkultur 12/2003

Als dem millionsten Arbeitsmigranten im Jahr 1964 bei seiner Ankunft am Kölner Bahnhof ein Moped samt Blumenstrauß überreicht wurde, war es kein Zufall, dass es sich mit dem Portugiesen Amando Sá Rodrigues um einen "Gastarbeiter" aus Südeuropa handelte, stellten diese doch die größte Gruppe der damals von Deutschland angeworbenen Arbeitskräfte dar.

Die Fotografien des Koreaners Park Chan-Kyong, die in der Ausstellung Koreans who went to Germany in den Räumen der Akademie Schloss Solitude zu sehen sind, widmen sich einem anderen, bisher kaum wahrgenommenen Kapitel deutscher Zuwanderungsgeschichte - dem Leben von fast 20.000 Arbeitsmigrantinnen und -migranten aus Südkorea.

Zwischen 1963 und 1980 kamen etwa 8.000 Bergleute sowie 10.000 Krankenschwestern und Pflegehelferinnen nach West-Deutschland, zumeist ins Ruhrgebiet - das heutzutage die größte koreanische Gemeinde in Europa hat. Zwar gingen mehr als die Hälfte der Bergarbeiter nach Ablauf ihrer Drei-Jahres-Verträge zurück nach Korea, in andere europäische Länder oder die USA und Kanada, viele aber blieben auch in Deutschland, verlängerten ihre Arbeitsverträge oder fanden beispielsweise in der Stahlindustrie neue Arbeitsmöglichkeiten. Nicht wenige der koreanischen Bergleute und Krankenschwestern heirateten untereinander und bauten sich über 8.500 km von ihrer Heimat entfernt ein neues Leben auf.

Park Chan-Kyong, der 1965 in Seoul (Südkorea) geboren wurde und unter anderem an der Nationaluniversität in Seoul und am California Institute of the Arts Bildende Kunst und Fotografie studierte, war als Künstler bisher vor allem durch Ausstellungen im asiatischen Raum präsent. Mit den Schicksalen siener koreanischen Landsleute in Deutschland beschäftigte er sich schon länger. Seine nun erstmals gezeigten Arbeiten basieren auf ausführlichen Recherchen, die er 2002 während seines Aufenthalts in Stuttgart vertiefen konnte. Das Stipendium an der Akademie Schloss Solitude gab ihm die Gelegenheit, das Projekt vor Ort zu realisieren. Der Autor und Dramaturg Klaus Fehling, ebenfalls Stipendiat der Akademie, begleitete den Künstler auf seiner Reise durch Deutschland:

"Mich irritierte, wieviel er über Landschaft, Geschichte und Wirtschaft des Ruhrgebiets wusste - ohne jemals dort gewesen zu sein. Park Chan-Kyong aus Korea wusste viel mehr über die Region aus der mein Vater stammte, als ich."

Die Fotografien zeigen die Porträtierten in ihrer gewohnten Umgebung, meist am Arbeitsplatz: den Bergarbeiter in der Zeche, die Säuglingsschwester auf ihrer Station, den ehemaligen Arbeiter bei privatem Pflegedienst, den Leiter eines Taekwondo-Studios oder den Taxifahrer vor einem Stadtplan Berlins. Sie sind gleichzeitig künstlerische Porträts und Sozialstudien - von einem etwas unalltäglicheren Alltag in Deutschland. Daneben sind fast privat anmutende Aufnahmen zu sehen. Diese gestatten einen Einblick in die persönliche Lebensumwelt der ehemaligen ArbeitsmigrantInnen. So offenbart beispielsweise die Präsentation der selbst angelegten Gärten ein Fleckchen asiatischer Kultur in deutscher Reihenhaussiedlung.

Zu diesen einfühlsamen Porträts sind Texte entstanden, die unter anderem im Katalog zur Ausstellung nachzulesen sind und die einzelnen Dargestellten durch ihre ganz persönliche Geschichte zum Leben erwecken - zum Beispiel Jeong Yong-gi, den letzten noch in einer Zeche im Ruhrgebiet arbeitenden Koreaner. Nach 25 Jahren unter Tage ist er mittlerweile für den ABtransport der Kohle zuständig. Mit ihm wird die Geschichte der koreanischen Bergleute in Deutschland, die vor 40 Jahren begonnen hat, zu Ende gehen.

Mit der Ausstellung möchte der Künstler verhindern, dass die Geschichte dieser Menschen, von denen auch in Korea nur die wenigsten wissen, nicht vergessen wird:

"Wenn sich Geschichte so schnell verändert, wie es im heutigen modernen Korea geschieht, vergessen die Menschen und so vergisst die Geschichte sich selbst. Auf der anderen Seite gibt es Menschen, die Geschichte nicht vergessen und das sind dann diejenigen, die sie wieder aufleben lassen."

Autorin: Monika Reutter