2010-08-24 Mainzer Rhein-Zeitung: Liebe zur Region blitzt durch jede Seite

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Mainzer Rhein-Zeitung vom 24. August 2010

Romane, Kalender, Postkarten und Sachbücher: Eckhard Humbert setzt für seinen jungen Verlag auf Regionalia - Ein-Mann-Betrieb soll schnell wachsen

Eckhard Humbert hat sich einen Traum erfüllt und einen eigenen Verlag gegründet. Für den schmiedet er im kleinen Bodenheim große Pläne - mit dabei: der Elwetritsch.

Bodenheim In der Pfalz erzählt man sich viele Geschichten über ein vogelähnliches Fabelwesen, das sich gerne von Weintrauben ernährt und aus einer Kreuzung von wild lebendem Geflügel mit Kobolden und Elfen hervorgegangen sein soll: den Elwetritsch. Einen solchen zu fangen gilt als nahezu unmöglich – auch wenn einige pfälzische Gemeinden ihren Touristen pfiffigerweise den Erwerb eines Elwetritschen-Jagdscheins anbieten.

Der deutsche Schriftsteller Johann Paul Friedrich Richter, der sich Jean Paul nannte, erfand zu Beginn des 19. Jahrhunderts einen Romanhelden namens Dr. Katzenberger, der mit Vorliebe solche Abnormitäten wie den „achtbeinigen Doppelhasen“ oder andere Launen der Natur sammelt, weil er glaubt, daran besser den Bauplan der Natur ablesen zu können als aus allem „Alltagsvieh“. Sicher hätte dieser Dr. Katzenberger der Herausforderung einer Elwetritsch-Jagd nur schwer widerstehen können – wenn er denn die Geschichten über dieses südwestdeutsche Kuriosum gekannt hätte. Davon steht jedoch nichts in Jean Pauls Roman „Dr. Katzenbergers Badereise“

Im Herbst erscheint im frisch gegründeten Bodenheimer E.Humbert-Verlag ein Buch mit angeblich echten Aufzeichnungen von Katzenbergers Tochter. Unter dem Titel „Neues vom Elwetritsch“ berichtet darin der Sprössling des Anatomieprofessors in Form eines Tagebuchs von der gemeinsamen Reise, die auch in Jean Pauls satirischem Roman beschrieben wird. Hauptsächlich geht es aber um einen Detail, das beim großen Dichter unerwähnt bleibt: den Besuch der Reisegesellschaft in einem kleinen rheinhessischen Weinort und die dortige Jagd auf den geheimnisvollen Elwetritsch.

Der Herausgeber der geheimnisvollen Tagebücher ist der Bodenheimer Verleger Eckhard Humbert. Als Fünfjähriger kam er aus dem thüringischen Jena nach Mainz, wo er später Theologie, Soziologie und Philosophie studierte. Ursprünglich wollte er Pfarrer werden, dann zog es ihn aber in die Medienbranche. Zwei Jahre lang putzte er Klinken als Lexikonvertreter im Außendienst. Später wurde er Redakteur beim Reclam-Verlag in Stuttgart. Die Arbeit bei dem traditionsreichen Verlag der berühmten gelben Reclamhefte war für ihn, wie er sagt, eine besondere Herausforderung. „Bei uns zu Hause wurde Reclam immer gepflegt, weil meine Mutter eine geborene Reclam war. Ich bin also mit dem Hause Reclam verwandt.“ Als Redakteur im Schulbuchverlag lernte er das redaktionelle Handwerk gewissenhaft. Dieses Wertlegen auf Genauigkeit, das er dort erfahren hat, hilft ihm heute als Leiter des E.Humbert-Verlages, den er bisher noch als Ein-Mann-Betrieb führt. Eckhard Humbert macht zwar nicht alles, aber doch noch vieles selbst. Er ist sein eigener Lektor und erledigt auch den Vertrieb. Dementsprechend ist der Verleger oft unterwegs. Ein eigener Verlag macht viel Arbeit.

Humbert hatte schon vor vielen Jahren als Verlagsangestellter davon geträumt, selber Verleger zu sein. „Ich glaube, das tut jeder, der im Verlagswesen tätig ist.“ Damals fühlte er sich aber noch nicht reif dafür. Außerdem war er erst 1995 von Reclam zum Schweizer Verlag Artemis&Winkler gewechselt, weshalb er zuerst nach Zürich und später nach Düsseldorf umziehen musste. Erst als er im letzten Jahr wieder in seine Wahlheimat zurück kehrte, wurden auch die Gründungspläne wieder konkreter. Dass sein eigener Verlag sich schwerpunktmäßig mit Regionalia beschäftigt, begründet er unter anderem mit seinem Interesse an regionaler Geschichte – er ist Mitglied des Bodenheimer Heimatmuseums und des Förderkreises Stadthistorisches Museum Mainz - und seiner eigenen Geschichte. „Immer wenn ich zwischendurch mal wieder in der Region hier war, habe ich gemerkt: Da ist was. Einmal bin ich mit der S-Bahn von der Buchmesse in Frankfurt zurück nach Mainz gefahren. Überall, wo wir durchgefahren sind, hatten sich irgendwann persönliche Geschichten abgespielt. Da hat es Klick gemacht und ich habe gemerkt: Hier ist sehr sehr viel von mir. Und wenn ich heute in Mainz aussteige, dann habe ich das Gefühl: Das ist meine Stadt. Ich habe mich in Mainz und die Region verliebt.“ Im Gespräch klingt Eckhard Humbert manchmal wie sein eigener Pressesprecher. Kein Wunder - auch die Verlags-PR ist bei seinem Unternehmen Chefsache.

Wenn man dem höflich zurückhaltenden Endfünfziger Humbert zuhört, wie er über die Pläne seines Verlages spricht, dann will man gerne glauben, dass er mit dem Herzen bei der Sache ist. Er weiß, dass ein Unternehmer das auch sein muss, wenn er Erfolg haben will. Vermutlich auch deshalb will der Verleger möglichst viele Buchhandlungen in Rheinhessen persönlich besuchen, um dort sein Verlagsprogramm vorzustellen.

Das geplante Programm für 2011 umfasst neben Kalendern und Postkarten auch einen Mainz-Roman, ein Buch über Bad Schwalbach, sowie eine Reihe über berühmte Söhne und Töchter der Stadt Mainz. Auch eine Dokumentation zur Geschichte der Beat-Musik in Mainz ist geplant - für den Jazzmusiker Humbert ebenso eine Herzensangelegenheit wie die Fotografie. Nicht ohne Grund ist das Verlagslogo ein stilisiertes Auge. Bereits erschienen ist ein Kalender mit künstlerisch bearbeiteten Bildern der Mainzer Fotografen Nick und Nina Hartmann, dessen Bildmotive auch als Postkartenset erhältlich sind.

Eckhard Humbert will in seinem Verlag nicht auf Dauer alles selber machen. Schon bald soll es weitere Mitarbeiter geben und irgendwann will der heute 57-jährige die Leitung seines Unternehmens an einen Nachfolger übergeben. Bereits im nächsten Jahr will er mit seinem Geschäft Gewinn machen. „Ich weiß, dass das sehr ambitioniert ist“, sagt er gleichermaßen selbstbewusst wie bescheiden und weiß: Wenn man mit dem Herzen dabei ist, kann vieles gelingen, vielleicht sogar die Jagd auf den Elwetritsch.

Klaus Fehling