Presse:2010 02 23 Kölner Stadtanzeiger über Petersberg 1

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Petersberg I

Der Zuschauer darf mitverhandeln

Von Susanne Esch, 23.02.10, 22:16h

Das Kölner Theaterprojekt „Futur3“ beschäftigt sich in seiner neuen Produktion „Petersberg I“ mit dem Nahost-Konflikt. In der Theaterverhandlung ist alles wie in der realen Politik: Sie ist hoffnungslos festgefahren.

Köln - Sie sollen Frieden schließen, aber die israelische und die palästinensische Delegation zündeln mit Worten, mit provokanten Späßen. Der deutsche EU-Vertreter lässt sich ebenfalls zu einer Bemerkung hinreißen: „Mein Vater ist auch in Auschwitz umgekommen“, erklärt er. Ungläubiges Staunen macht sich breit. „Er ist betrunken vom Wachturm gefallen, haha.“ Die entsetzten Blicke weichen langsamen Verstehen. Ach so, ein Witz, deutscher Humor eben.

Der kann bei den Verhandlungen, zu denen das Theaterkollektiv Futur3 die Zuschauer seiner neuen Produktion namens „Petersberg I“ bittet, auch nicht mehr viel kaputt machen. In der Theaterverhandlung ist alles wie in der realen Politik: Sie ist hoffnungslos festgefahren. Warum, das führt Futur3 dem Theaterbesucher überaus anschaulich vor Augen, indem es ihn selbst mit an den Verhandlungstisch setzt - natürlich nicht unvorbereitet.

An einem geheimen Treffpunkt in einer Bar - der Ort wird erst bei der telefonischen Anmeldung mitgeteilt - erfährt der Zuschauer, ob er zur israelischen, palästinensischen oder EU-Delegation gehört und erhält Verhandlungsunterlagen, die ihn über den aktuellen Stand der Dinge im Nahost-Konflikt aufklären. Auf dem Weg zu dem Verhandlungsort trifft er weitere Personen, die ihm ihre Schicksale schildern und es ihm dadurch erleichtern, sich mit den anderen Angehörigen seiner jeweiligen Delegation zu verbrüdern. Die Verhandlung selbst ist der Höhepunkt der Theaterperformance. Ausgezeichnete Darsteller lassen spüren, wie Emotionen und Misstrauen die Weltpolitik bewegen.

Kunsterlebnis Theater

Da ist der deutsche „EU-Vertreter“ als Möchtegern-Friedensfürst, der herablassende und kompromisslose Israeli sowie die Palästinenserin, von der niemand weiß, wie nah sie der mordenden Hamas wirklich steht. Während sie über Politik und den servierten Kaffee streiten, zerfließen die Grenzen zwischen Schauspielern und Publikum, zwischen Theater und Wirklichkeit, vergisst der Zuschauer, dass er Zuschauer ist.

Und genau das ist der Moment, in dem das Konzept des Abends voll und ganz aufgeht. Bewusst hat sich das Ensemble für den öffentlichen Raum als Aufführungsort entschieden. Hier sollen die alltäglichen Erlebnisse mit dem „Kunsterlebnis“ Theater verschmelzen. Die Futur3-Regisseure André Erlen und Stefan H. Kraft haben ein atmosphärisches, lehrreiches, vor allem aber packend hautnahes Erlebnis geschaffen.

Nächste Termine: 8.-11. April 2010, ab 17 Uhr, Tel.: 01 76 / 78 10 46 79